Von Tobias Baumann
https://www.st-galler-nachrichten.ch/gossau/detail/article/stabsuebergabe-bei-der-alten-garde-oberberg-00200622/
Am Samstag wählten die Mitglieder des historischen Vereins Alte Garde Oberberg Peter Bösch zu ihrem neuen Präsidenten: Der bisherige Feuerwerker folgt auf Patrik Forster, der auf die Hauptversammlung hin nach 20 Jahren zurücktrat. Forster seinerseits wurde einstimmig zum Ehrenpräsidenten gewählt.
Bald sollen sie erstmals wieder ertönen: Die Salutschüsse aus den vier Kanonen der Alten Garde Oberberg. «Wir haben gerade eine kurzfristige Anfrage für eine Hochzeit im Juli erhalten. Sofern diese stattfinden kann, werden wir den Auftritt gerne wahrnehmen», erklärt Patrik Forster, der bis zur Stabsübergabe an der Hauptversammlung am Samstag während 20 Jahren die Geschicke des Vereins als Präsident leitete. «Im letzten und bisher auch in diesem Jahr wurden sämtliche Auftritte abgesagt. Letztmals durften wir im Herbst 2019 unsere Dienste anbieten», ergänzt sein Nachfolger Peter Bösch, der seit sieben Jahren als sogenannter Feuerwerker für die Alte Garde an den Kanonen im Einsatz steht und nun einstimmig zum Präsidenten gewählt wurde. «Als mich Patrik anfragte, ob ich mir vorstellen könne, seine Nachfolge anzutreten, habe ich mir gesagt: Wieso nicht?», erzählt Bösch. So könne er zu einer erfolgreichen Zukunft des Vereins beitragen. Er sei in Gossau aufgewachsen und habe schon als kleiner Junge erstmals Auftritte der Garde gesehen. Diese hätten ihn immer fasziniert. «Als man mich nach meinem Austritt aus der Feuerwehr vor sieben Jahren für eine Mitgliedschaft anfragte, empfand ich das als grosse Ehre», erinnert sich der Neo-Präsident
Zwei Salven, sieben Schüsse
Dass sich jene, die sich ein Jahr als Aspirant versuchen dürfen, um dann in einer einstimmigen Wahl als Mitglied aufgenommen zu werden, geehrt fühlen, liegt neben der Historie des Vereins in erster Linie an der begrenzten Mitgliederzahl. Diese wurde in den Statuten auf zwölf beschränkt. «Die Zahl ergibt sich aus den Chargen. So hat jeder seine Aufgabe», erklärt Forster. Das Kommando bei den Auftritten hat Erwin Schmid inne, der 1972 mit gerade mal 18 Jahren als Tambour zur Garde stiess und 2010 zum Kommandanten gewählt wurde. Das dienstälteste Mitglied weiss viel über die Traditionen des Vereins und die Abläufe bei Auftritten zu berichten: «Wir feuern immer zwei Salven ab. Die erste mit drei, die zweite mit vier Schüssen. Eine gerade Anzahl Schüsse würde Unglück bringen.» Dies gehe aus der mittelalterlichen Schiessordnung hervor, die man befolge. Der Tambour kündigt jeweils die Schüsse an, die beiden Trompeter vermelden mit ihrem Spiel, dass die Feuersalven vorüber sind. Als Kommandant obliegt es Schmid, zwischen den Salven etwas zur Geschichte des Vereins, zu den Uniformen oder den Kanonen zu erzählen, während die Feuerwerker erst die Kanonen löschen und anschliessend wieder mit Schwarzpulver nachladen. Zum Namen erklärt Schmid, der Verein heisse wohl Alte Garde Oberberg, weil der Schlossherr früher Söldner für den französischen König rekrutiert habe und das Schloss als Wahrzeichen von Gossau diene.
Informelle Warteliste
«Ein gesamter Auftritt dauert rund 20 bis 25 Minuten. Auf Wunsch wird ausserdem eine Urkunde verlesen – beispielsweise für das Hochzeitspaar», erzählt Forster. Die Urkunden werden in Althochdeutsch verfasst und von der Gossauer Künstlerin Marianna Carruzzo in Kalligraphie-Schrift gestaltet. Ein Auftritt der Alten Garde für Empfänge, Hochzeiten oder andere Feierlichkeiten kostet 1300 Franken. «Wegen des Geldes machen wir die Auftritte sicher nicht. Aber wir können mit den Einnahmen unser Vereinsleben finanzieren», erzählt Forster. Allerdings habe die Zahl der Auftritte bereits vor Ausbruch der Pandemie tendenziell abgenommen. «Wenn man heiratet, hat man sonst schon hohe Ausgaben und viele junge Leute investieren das Geld heutzutage halt eher in einen DJ», resümiert Bösch, der aber wie seine Kollegen der Zukunft des Vereins optimistisch entgegenblickt. Rund fünf Auftritte pro Jahr müssten das Ziel sein, bei mehr als zehn würde der Aufwand ohnehin zu gross. Nachwuchsprobleme wie andere Vereine kenne die Alte Garde auf jeden Fall nicht. «Der Vorstand führt eine Liste mit möglichen Aspiranten, die informell mal ihr Interesse angemeldet haben. Wenn jemand austritt, wird gemeinsam entschieden, wer am besten in die Gruppe passen könnte», erzählt Forster. Schliesslich komme der Geselligkeit im Verein, der erstmals 1941 bei der Einweihung der Fürstenlandbrücke offiziell in Erscheinung trat, grosse Bedeutung zu.
Unfallfrei seit 80 Jahren
Den Verein auch für Frauen zu öffnen, sei kein Thema, erklärt Forster auf Nachfrage. «Die Statuten halten fest, dass es sich um einen Verein für Männer handelt und gewisse Traditionen muss man pflegen.» Die jährliche Barbara-Feier auf dem Schloss sowie alle Vereinsausflüge führten sie aber gemeinsam mit ihren Frauen durch und diese würden sich untereinander gut verstehen. «Die Auftritte überlassen sie gerne den Männern», lacht Forster. Am ehesten könnten sich dereinst Nachwuchsprobleme in den Chargen Tambouren und Trompetenspiel ergeben, erklärt Bösch, denn im Gegensatz zu den Instrumenten sei das Feuerwerken leicht zu erlernen. Vorsicht ist dennoch geboten, schliesslich wird mit Schwarzpulver geschossen. «In all den Jahren hatten wir noch nie einen Unfall», erklärt Schmid. Allerdings hätten sie die Kanonen früher ohne Hörschutz abgefeuert. Heutzutage wird auf den Schutz des Gehörs dagegen grossen Wert gelegt; so auch an den drei geplanten Auftritten in diesem Jahr. Nächstes Jahr werden die Gossauer Gardisten ihre Salven zur Begrüssung der Besucherinnen und Besucher am Schweizerischen Festival der Chöre abfeuern dürfen.